Aufbruch nach Süden
Eintrag vom 30.04.2018
Strecke anzeigen
Entfernung (Luftlinie): 108,38 km
Max. Höhenunterschied: 361 m
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Entfernung (Luftlinie): 108,38 km
Max. Höhenunterschied: 361 m
Nur eine Kleinigkeit vorweg: ich werde nicht jeden Tag dazu kommen, einen Eintrag zu verfassen. Vielmehr werde ich mehrere Etappen zusammenfassen und die für mich markantesten Erlebnisse hier aufschreiben.
Leipzig - Kretzschau (59 km)
Nun ist es soweit, ich bin tatsächlich aufgebrochen. Der Moment, wenn man den Wohnungsschlüssel in seinen eigenen Briefkasten wirft und fortan nur noch sein Fahrrad und die knapp 30kg Gepäck dabei hat - einfach unbeschreiblich. Bevor ich allerdings losfahren konnte, quatschte mir meine Nachbarin auf der Treppe noch mehrere Ohren ab. Daran war ich aber selbst Schuld, da ich ihr von meinem Vorhaben erzählt hatte, als ich ihr vor Ewigkeiten den Drucker „kaputtrepariert“ hatte.
Der Weg führte mich zuerst nach Großzschocher, denn ich wollte mich noch von Sabrina verabschieden.

“Fahr doch auf dem Elsterradweg - der führt doch direkt nach Zeitz!“, meinte mein Vater. Gute Idee, dachte ich mir, aber der Radweg konnte sich gut verstecken. Am Zwenkauer See musste ich das erste Mal fragen, wo denn dieser blöde Radweg nun sei. Der Weg war - wenn er es einmal war - miserabel ausgeschildert. Irgendwann bei Zitzschen wurde es mir zu dumm und ich schaltete das Navi ein. Dies findet wahrscheinlich nicht immer die schönsten Routen, aber es funktioniert. Außerdem unterhält sich dann jemand mit mir.
Beim Einkaufen in Pegau viel mir auf, dass die Vielschichtigkeit der Menschen hier änlich umfangreich ist, wie die Auswahl der im Supermarkt verfügbaren Biersorten. Nun ja, schlussendlich sind es zwei Schloss-Pils aus der Dose geworden.
In Auligk hatte ich mich schon auf ein kühles Radler gefreut, aber das sollte mir an diesem Tag vergönnt bleiben.

Der Campingplatz in Kretzschau schien auf den ersten Blick ganz in Ordnung, wenn man von den schrulligen Eigentümern einmal absieht. Sie sagten mir, dass sie mitten im Umbau wären und dass es kein Warmwasser gäbe. Als ich dann unter der Dusche stand, merkte ich, dass es nicht nur kein Warmwasser gab, sondern überhaupt keins. Nun gut, dann eben eine Katzenwäsche am Waschbecken. Abends hatte ich dann noch genügend Zeit etwas Leckeres zu kochen.

Kretzschau - Aumatalsperre (46,5 km)
Ich hätte nicht gedacht, dass es Berge gibt, die ich mit dem Fahrrad nicht hochkomme, aber es gibt sie - heute sogar gleich drei dieser Sorte. Ich musste schieben - keine Chance.
Die ersten zehn Kilometer waren gelinde gesagt der Horror. Der erste Berg kam direkt nach Kretzschau, der zweite vor Mannsdorf, viele Weitere folgten.

Der große Haynsburger Berg gab mir allerdings den Rest. Völlig entkräftet kam ich nach einer halben Stunde stetiger 8% Steigung oben an. Zu meinem Glück gab es dort das Restaurant „zur Krempe“, welches sogar geöffnet hatte. Nach zwei großen Radlern, einmal Schweinemedaillons mit Pilzen und Kroketten und abschließendem Kaffee war die Welt zwar noch nicht in Ordnung, aber besser.
Ungefähr zehn Kilometer vor Gera kam dann die erste längere Abfahrt - 52 km/h Spitzengeschwindigkeit - einfach herrlich. Natürlich muss man alles anschließend wieder berghoch. Ich bin daher mittlerweile hin- und hergerissen, was ich besser finde, Abfahrten oder Anstiege...
Auf dem Sattelpunkt eines weiteren Hügels musste ich laut lachen, da die Haltestelle dort „am Trotz“ hieß. Die Umgebung wurde eins mit meinen Gefühlen.

Die Fahrt durch Gera riss mich jetzt nicht aus dem Sattel, allerdings verrieten mir die Wahlplakate, dass am morgigen Sonntag die Wahl des neuen Oberbürgermeisters stattfinden würde - viel AfD, wenig Alternativen.
Gegen halb sechs kam ich am Campingplatz an der Aumatalsperrre an. Meine Zeltnachbarn waren zufälligerweise ein Pärchen aus Gera. Auf meine Frage hin, ob sie denn morgen nicht wählen gehen, entgegneten sie mir, „Nein, das wäre alternativlos.“

Platzwart Günther machte mir noch zwei Bier klar und bestellte mir für den nächsten morgen zwei Brötchen.
Aumatalsperre - Drognitz (56,5 km)
Herrlich, so ein Frühstück mit Kaffee, Schinken und Käse in der morgendlichen Sonne.

Die heutige Strecke ist im Grunde wie eine ewige Berg- und Talfahrt, bei der es gefühlt immer mehr bergauf als bergab geht. Seltsamerweise stellt sich bei mir aber diesbezüglich so langsam ein Gefühl der Egalität ein, da ich das Gelände ja ohnehin nicht ändern kann.

Nach gut 30km erreiche ich in Plothen das Gasthaus „Plothenteich“, welches schon eine 134-jährige Geschichte vorzuweisen hat. Die anderen Gäste starrten mich an wie einen Außerirdischen - wohl wegen meinem Gesichtsausdruck und dem schwer bepackten Fahrrad.

Gut gesättigt machte ich mich wieder auf den Weg. Zwei große Anstiege hatte ich heute noch vor mir.
Bis nach Ziegenrück ging es halbwegs gemächlich von statten, was das Höhenprofil anging. Dann ging es lange bergab - was für mich mittlerweile kein gutes Zeichen mehr ist - bevor der erste Hammer kam: die „Ziegenrücker Wand“. Der Anstieg hörte einfach nicht auf. Unfassbar langsam quälte ich mich im ersten Gang den Berg hoch. Selbst Schnecken wären vermutlich schneller gewesen. Oben auf der „Hemmkoppe“ angekommen, brauchte ich 20 Minuten Verschnaufpause, bevor überhaupt an eine Weiterfahrt zu denken war.

Anschließend folgte eine wahnsinnig lange Abfahrt, die mich wieder mißmutig stimmte. Dann kam der zweite Hammer, aber ich wusste, es wird der letzte für diesen Tag werden. Die letzte Abfahrt endete dann direkt am Zeltplatz, wo mich die beiden holländischen Betreiber - Patricia und Michael - herzlich in Empfang nahmen.

Montag ist Schontag
Heute mache ich einen Tag Pause, um die müden Glieder zu schonen, neue Kräfte zu sammeln und um diesen wunderschönen Campingplatz hier bei allerbestem Wetter zu genießen.