Es mangelt an Bergen
Eintrag vom 30.07.2018
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Entfernung (Luftlinie): 933 km
Max. Höhenunterschied: 70 m
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Entfernung (Luftlinie): 933 km
Max. Höhenunterschied: 70 m
Alnwick - Newcastle (68 km)
Der Tag begann bewölkt, aber ich wusste, dass es dabei nicht bleiben würde. Die ersten 30 km fuhren sich zügig, trotz einiger Steigungen. Dann wurde es regnerisch, die Strecke allerdings blieb sehr abwechslungsreich. Es waren ja auch nur knapp 70 km zu bewältigen.

Bereits gegen kurz nach drei kam ich am Fährterminal in Newcastle an. Dort klappte alles reibungslos und so konnte ich nach kurzer Suche über die unzähligen Decks meine Kabine, welche sich 10 m unter der Wasseroberfläche befand und wahrscheinlich direkt zwischen zwei Maschinenräumen gelegen, beziehen. Nach einem ordentlichen Abendessen ging ich dann auch zeitnah ins Bett.

Ijmuiden - Dronten (115 km)
Nun ja, erholsamer Schlaf sieht durchaus anders aus. Ich glaube, dass ich in der Nacht überhaupt nicht geschlafen habe. Zum einen wegen der Lautstärke der Turbinen, zum anderen wegen des Sauerstoffgehaltes in der Kabine, der gegen Null tendierte. War ich froh, als ich endlich wieder an der frischen Luft war. Das Wetter war herrlich und so fuhr ich los, immer gen Osten in Richtung Heimat.
An einer Tankstelle frühstückte ich eine Kleinigkeit und war überaus fasziniert, wie gut das niederländische Radwegenetz - bereits hier, im Industriegebiet - ausgebaut ist.

Dann kam ich endlich nach Amsterdam. Mitten durch das Zentrum führte der Weg, vorbei an schönen, alten Gebäuden, über Grachten und immer umzingelt von unzähligen Fußgängern und vor allem Radfahrern. Dennoch wirkte die Stadt auf mich sehr einladend und gemütlich.

Natürlich konnte ich nicht so zügig wie sonst fahren, aber ich schwamm in der Masse mit und hatte immer ausreichend Abstand zu allen Seiten. Besonders begeisterte mich das mehrstöckige Fahrradparkhaus.

Auch die Art, den Verkehr zu regeln, fand ich sehr spannend. In folgendem Beispiel wird für ein paar Minuten die Straße nach oben geklappt, weil drunter ein klitzekleines Schiffchen durchfahren möchte.

Nachdem ich Amsterdam passiert hatte, war es dass dann auch an spannenden und erwähnenswerten Ereignissen dieses Tages. Die Strecke war - und das kann ich für die Folgetage schon einmal vorwegnehmen - gähnend langweilig, da es absolut nichts zu tun gab, außer zu treten. Lenken erübrigte sich ob der schnurgeraden Wegführung im Flachland, welches kein Ende zu nehmen schien. Ein bisschen erinnerte es mich an den Spreewald, nur ohne Spree - und leider auch ohne Wald. Gegen 19 Uhr kam ich dann, etwas frustriert von der monotonen Strecke, auf dem Campingplatz bei Drohnten an.

Auf dem Campingplatz waren fast ausschließlich Niederländer, die mit ihren Kindern dort Urlaub machten. Eine große Plane wurde auf dem Rasen ausgerollt, mit Wasser benetzt und so zu einer improvisierten Rutschbahn umfunktioniert. Anschließend wurde ein kleiner Wettbewerb veranstaltet. Wer am weitesten rutschte, der hatte gewonnen. Die Kinder hatten eine Menge Spaß und die umstehenden Eltern konnten ein wenig verschnaufen.
Dronten - Lingen (131 km)
Gegen elf Uhr machte ich mich auf den Weg. Es war sehr heiß und ich ärgerte mich wieder einmal darüber, dass ich es so gut wie nie hinbekomme, bei Zeiten aufzustehen und in der Kühle des Morgens zu fahren. Aber egal, ich musste weiter. Auch für diesen Tag galt das Credo: "flach, flach, flach".

Viel schneller als erwartet hatte ich die Niederlande durchquert und war wieder in Deutschland. Das war schon ein merkwürdiges Gefühl. Einerseits fand ich es befremdlich, wieder hier zu sein, andererseits freute ich mich darüber, dass ich auf den Speisekarten wieder alles verstehen würde.

Mit gerade einmal drei Pausen kam ich gegen 19:30 Uhr in Lingen am Hotel an und gönnte mir ein reichhaltiges Abendessen.

Lingen - Wagenfeld (114 km)
Das beste des heutigen Tages war der Schwarzwaldbecher in Ankum. Den Rest des Tages ging es wieder ohne nennenswerten Höhenunterschied und besondere Ereignisse weiter.



Da Montag war, hatten fast alle Gaststätten geschlossen. Ich entschied mich also für einen Einkauf im örtlichen Discounter und gönnte mir am Abend eine ausgedehnte Brotzeit mit allerlei Schmackhaftem.

Wagenfeld - Birkensee (121 km)
Schönes Wetter ist natürlich von Vorteil, wenn man Fahrrad fahren möchte, aber diese Hitze ist wirklich zu viel des Guten - war das ein anstrengender Tag! Es war so heiß, dass ich an die sieben Liter über den Tag getrunken habe. Ich machte mehr Pausen, als dass ich fuhr. Nach 10 km am Stück war man so dehydriert, dass man erst einmal wieder eine Pause brauchte. Erst zum frühen Abend wurde es langsam erträglicher, als der Einfallswinkel der Sonne zusehends abflachte.

Kurz vor acht kam ich dann auf dem Campingplatz "Birkensee" an. Ich bestellte mir eine Currywurst mit Pommes unnd trank in windeseile zwei große Radler. Erst im Anschluss suchte ich mir einen geeigneten Platz für mein Zelt, baute auf und ging duschen. Besonders schön waren die vielen wilden Kaninchen, die in der Dämmerung über den Platz huschten und nach Futter ausschau hielten. An die dreißig Tiere konnte ich zählen - eine Großfamilie eben.

Birkensee - MIttellandkanal (40 km)
Der Tag begann gut. Ich saß bereits kurz nach acht auf Muli und machte mich auf den Weg in Richtung Magdeburg.

Nach ungefähr 15 km war ich am Mittellandkanal angekommen, dem ich nun laut Navi ungefähr 30 km lang folgen sollte. Leider war der Weg sehr schlecht. Überall hingen Dornenbüsche in den Weg hinein und teilweise war der Pfad schon fast zugewachsen. Ich dachte mir noch, bei der nächsten Gelegenheit fährst du von diesem Kanal runter und nimmst einen anderen Weg über die Dörfer, da mich auch die Monotonie dieses Gewässers außerordentlich anödete.
Leider war es zu diesem Zeitpunkt aber schon passiert. Ich merkte, wie sich das Lenkverhalten veränderte und das Fahrgefühl nicht mehr dem entsprach, was ich die letzten Monate von meinem Rad kannte - ich hatte einen Platten, die erste Panne nach 4.380 km.

Naja, einen platten Reifen zu wechseln ist ja kein Problem, das hatte ich in der Vergangenheit schon hunderte Male getan, also erschütterte mich der Platten nur mäßig. Einen Ersatzschlauch und das passende Werkzeug hatte ich dabei, also begann ich mit dem Ausbau des Vorderrads.
Der neue Schlauch war schnell eingesetzt, so dass es nur noch darum ging, den Mantel über die Felge zu bekommen. Aber es ging nicht. Egal, wieviel Kraft ich aufwendete, es blieben immer knapp 20 cm, die einfach nicht in die Felge wollten. Dann brach mir noch ein Reifenheber ab, so dass ich nur noch einen zur Verfügung hatte. Ich überlegte, wie ich den Mantel in die Felge bekäme. Dann nahm ich mir die Rückseite meines Metalllöffels als Ersatz für den kaputten Reifenheber. Damit habe ich es dann unter großem Krafteinsatz und grober Behandlung auch hinbekommen. Als ich allerdings Luft aufpumpen wollte, hörte ich dieses verheißungsvolle zischen, wenn etwas nicht mehr dicht ist.
Ich hatte mit dem Löffel wahrscheinlich den Schlauch an einer Stelle so stark eingeklemmt, dass er dort eingerissen ist. Nun hatte ich zwei kaputte Schläuche, aber noch Flickzeug. Also flickte ich wie ein Weltmeister beide Schläuche, wartete ein paar Minuten und versuchte es dann erneut. Dieses Mal wollte ich vorsichtiger sein, um den Schlauch nicht wieder zu beschädigen. Allerdings ging der Mantel diesmal überhaupt nicht mehr über die Felge.

Als dann noch ein Radfahrer vorbeikam und mir helfen wollte, wurde alles noch schlimmer. Er - Rentner und ehemaliger Offizier bei der Bundeswehr, hoch wie breit von der Statur und mit kroatischem Akzent - und ich zerrten mit vereinten Kräften an dem Mantel - allerdings wieder unter Einsatz von Werkzeug - bis er schließlich aufgab und sich über die Felge schob. Dann wieder dasselbe Problem, er ließ sich nicht aufpumpen. Es zischte... Der Radfahrer wurde immer saurer, weil er schon längst in Braunschweig sein wollte. Er holte dann eine Flasche mit einem Schaum aus seiner Tasche und setzte es an das Ventil. Der Schaum sollte dafür sorgen, dass Löcher im Schlauch von innen versiegelt werden und ihm dabei gleichzeitig soviel Volumen verleihen, dass man damit noch ein paar Kilometer fahren könnte. Dummerweise war die Flasche nur noch halb voll, so dass der Schlauch nicht annähernd gefüllt wurde. Durch den ganzen, langsam aushärtenden Schaum im Inneren konnte man ihn anschließend auch nur noch wegwerfen.
Nun ja, jetzt hatte ich nur noch einen Schlauch und kein Flickzeug mehr. Letzte Chance, wenn man so will. Ich versuchte es noch einmal - der Andere war inzwischen entnervt weitergefahren - aber ich scheiterte und zerstörte auch diesen Schlauch. Nun hatte ich weder einen Ersatzschlauch, noch weiteres Flickzeug. Ich war aufgeschmissen.

Der nächste Ort war über eine Stunde zu Fuß entfernt und so richtig wusste ich auch nicht wohin mit den ganzen Taschen. Also rief ich den ADAC an, die müssen mir helfen - so dachte ich -, schließlich bin ich dort Gold-Mitglied und zahle jeden Monat Unsummen für Leistungen, die ich im Grunde nie brauche, außer heute. Pustekuchen. Der verklärt freundliche Mensch am anderen Ende der Strippe erklärte mir, dass sie mir gerne helfen würden, dies aber ob des fehlenden Motors an meinem Fahrrad nicht möglich wäre. Der ADAC hilft nur, wenn man mit etwas liegen bleibt, dass einen Motor hat. Das nächste mal werde ich sagen, ich bin mit meinem Fön unterwegs gewesen und habe eine Panne - bitte helfen sie mir.
Schlussendlich rief ich dann Sabrina und Schubi an. Ein Glück hatten beide - mehr oder weniger - Zeit und haben mich mit dem Auto abgeholt. Ich war heilfroh, die beiden zu sehen und so verluden wir das Rad in den PKW und fuhren wieder nach Leipzig. Es ist wirklich toll, dass ich so liebe Menschen um mich herum habe, auf die man sich immer verlassen kann. Danke nochmal!!!
Nun ist die große Reise - wenn auch unfreiwillig - kurz vor dem Ziel zu Ende gegangen. Traurig bin ich deswegen aber nicht. Ich bin so viele Kilometer gefahren, da kam es auf die letzten 250 nun auch nicht mehr an. Das Vorderrad habe ich mittlerweile - unter Einverleibung diverser How-To-Videos - wieder repariert. Mit der richtigen Technik brauchte ich dazu nicht mal mehr Werkzeug. Ich bin auch unendlich froh, dass diese Panne hier und nicht irgendwo in Schottland passiert ist, denn dort hätte ich nicht einfach jemanden anrufen können.
Ich möchte allen Freunden danken, die mir auf diesem Blog gefolgt sind und mir mit ihren Beiträgen immer wieder Kraft gegeben haben, weiter zu machen. Das war wirklich große Klasse und hat mich immer sehr bestärkt. Danke ihr Lieben!
Auf baldiges Wiedersehen in der analogen Welt.
Euer Benno